Osteraufstand


Der Osteraufstand in Irland am Ostermontag den 24. April 1916.
Die Vorgeschichte und Vorbereitungen der irischen Freiheitskämpfer zum Auftand gegen die britische Herrschaft.

O'Connel Street in Dublin nach dem britischen Bombardement
O’Connel Street in Dublin nach dem britischen Bombardement während des Osteraufstandes. Die irischen Rebellen nahmen fälschlicherweise an, dass die Briten nicht ihre eigenen Besitztümer zerstören würden.

Vorgeschichte des Osteraufstandes

Die Umstände, die zu der irischen Rebellion von 1916 geführt haben, sind stark komplex und von historischer, sozialer, politischer und vielleicht auch vor allem psychologischer Natur.
Sean ‚O’Faolain, ein großer irischer Schriftsteller, hat einmal über sein Land geschrieben: ‚Der größte Teil der Artikulierung unserer Vergangenheit besteht aus Ruinen, so wie der größte Teil unserer Lieder über Klage und Trotz handelt.‘


Der Osteraufstand war ein vollständiger Fehlschlag, welcher große Teile Dublins in Trümmer legte – aber ohne ihn ist es schwer vorstellbar, wie Irland von der britischen Herrschaft befreit werden hätte können. Die Führer des Osteraufstandes hatten nur wenige Unterstützer – selbst unter den irischen Patrioten – solange sie am Leben waren, aber Tod wurden und sind sie immer noch die irischen Nationalhelden.
Es ist ein großes historisches paradox und eines, welches die Briten wohl bis heute noch nicht recht verstanden haben. Hätten sie es verstanden, ist es denkbar, dass das britische Weltreich länger Bestand gehabt haben könnte, da das Ende der britischen Herrschaft über Irland das Modell und der Prototyp für den Sturz des Empires in Asien, Afrika und anderswo auf der Welt wurde.

Die historische Komplexität aus britischer Sicht kann auf ein allgemeines Missverständnis des irischen Charakters und der irischen Wünsche erfolgt sein. Die Briten waren durch die Tatsache verwirrt, dass die meisten Iren – und vor allem die gebildeten Iren – Englisch sprachen und schrieben – und oft besser, als die meisten Engländer.

Sie wurden weiterhin durch die Tatsache verwirrt, dass ein sehr großer Teil der Klasse irischen Oberklasse von englischer oder normannischer Abstammung war.
Bis zum Jahr 1916 hatten die Briten immer noch nicht begriffen, dass zwei Jahrhunderte nach der brutalen Zerschlagung der alten irischen Oberklasse und des Diebstahls deren Landes, es genau Leute wie Grattan, Tone, Parnell und die anderen waren, welche die Sehnsucht der Iren nach dem Ende der Fremdherrschaft weckten.

Und der Grund für dieses grobe Missverständnis war, dass die Engländer in England nicht erkannten, das die irische Lebensart in vielerlei Hinsicht, aber in jedem Fall im Bereich der menschlichen Beziehungen, kulturell der Englischen überlegen war: weniger brutal, weniger materialistisch, mehr spirituell, in Würde und mit unendlich viel weniger Snobismus und Klassenunterschiede. Der Ire richtet seinen Blick viel mehr auf das Glück des Menschen als auf den Erwerb von Reichtum und Besitz.

Immer technologisch im Rückstand wurden die Iren in einem Zeitraum von mehr als tausend Jahren von immer neuen Wellen von Eroberern niedergeworfen. Wenn diese Eroberer jedoch in Irland blieben, so wurden sie, wie es die Engländer ausdrückten, von der Leichtigkeit und Freude der irischen Lebensweise verführt, welche wie Charme und Fröhlichkeit aussieht und nichts für Profit übrig lässt: Sie wurden ‚irischer als die Iren‘.

Und aus diesem Grund wurden sie bei den Engländern in England als Nutzlosigkeit herabgesetzt. Die Tatsache, dass die Iren ihre eigenen – von ihnen ganz unterschiedliche – Wertvorstellungen hatten, wurde als komischen angesehen, und die ‚Bühne des Iren‘ wurde in London erschaffen.
An die Tatsache, dass die Engländer bis jetzt immer jede irische Rebellion zerschlagen hatte, wurde erinnert. Aber die gleiche Tatsache, dass die Iren mit enormer Tatkraft in allen wichtigen Armeen Europas – und nicht zuletzt in der von Großbritannien – gekämpft hatten, wurde oft vergessen.

Aus der Sicht der britischen Regierung in Whitehall um die Jahrhundertwende war die Figur des irischen ‚Paddy mit seinem Schwein‘ zwar im Wesentlichen eine komische und kindliche Figur, aber er sollte wissen – nach englischen Maßstäben – wo sein Platz im Leben war. Vielleicht könnten die ‚Anglo-Iren‘, ein eigentlich ziemlich abscheulicher und sinnloser Begriff, zur Not diese Provinz für Großbritannien verwalten, aber ‚Paddy‘ würde es nie können.

Auf der anderen Seite waren diese Leute politisch anstrengend und darüber hinaus gab es eine ganze Menge Engländer im späten, ausgehenden viktorianischen Zeitalters. Während der großen Hungersnot von 1846 hatten die englischen Liberalen Irland im Interesse ihrer Laissez-faire-Ideologie hungern lassen. Sie zu versorgen hätte bedeutet, die Funktionsweise des freien Marktes zu stören, in welche die Mais-Händler verwickelt waren. Später kamen jedoch Zweifel an dieser Haltung auf.


Den Iren wurde die teilweise Souveränität über die Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten erlaubt, als ein ‚Home Rule‚-Gesetz erlassen wurde. Aber in diesem Augenblick begann der 1. Weltkrieg und die Home Rule wurde auf die Zeit verschoben, bis ein Sieg über die Deutschen erreicht worden wäre.
Paddy hätte doch nichts dagegen, wie sollte er auch ? Paddy würde der britischen Armee beitreten, wie er es immer getan hatte und wie es schon aber tausende von Iren getan hatten. Paddy würde das nicht verstehen – und viele, wenn nicht sogar die meisten, verstanden es auch nicht.

Vorbereitung des Osteraufstand

Aber einige Iren verstanden es schon. Die wichtigsten davon waren die Mitglieder der Irisch-Republikanischen Bruderschaft oder IRB (nicht mit der Irisch-Republikanischen Armee oder IRA, einer späteren Schöpfung zu verwechseln).
Der IRB wurde im Jahre 1858 gegründet. Es war eine geheime Gesellschaft, die wahrscheinlich nie mehr als 2.000 Mitglieder gezählt hat, einschließlich jener Iren, welche anderen Orts in Großbritannien, in Amerika oder anderswo lebten. Die Mehrheit ihrer Mitglieder konnte man als sogenannte ‚Intellektuelle‘ bezeichnen, aber in Bezug auf ihre Entschlossenheit und Geheimhaltung hatten sie eine gewisse Ähnlichkeit mit den russischen Zeitgenossen von Lenins kleiner bolschewistischer Partei.
Allerdings waren ihre Ziele eher politischer als gesellschaftlicher Natur. Sie waren Patrioten, welche sich dem Ideal der nationalen Unabhängigkeit gewidmet hatten, und sie waren bereit, alle Mittel – einschließlich Gewalt – für dieses Ziel einzusetzen.
Sie waren praktisch der Generalstab einer Massenbewegung für die Befreiung Irlands von der britischen Herrschaft und in ihrer 14-tägigen Publikation Irish Freedom (gegründet 1910) verlangten sie eine vollständige republikanische Regierung für ganz Irland. Es ist bezeichnend, dass alle Männer, welche die Ausrufung der Republik Irland am Ostermontag unterzeichneten, Mitglieder des IRB waren.

Als der 1. Weltkrieg begann, verkündete John Redmond, der Führer der irischen Nationalisten-Partei und Parnells Erbe, die Annahme der Verschiebung der Home Rule für sich und seine Anhänger. Zu diesen gehörten auch die Irish Volunteers, welche zu dieser Zeit etwa 200.000 Mann stark waren, aber von denen vielleicht nur ein paar tausend ausgebildet und bewaffnet waren.
Diese Truppe wurde im November 1913 aufgestellt als Gegengewicht zu den Ulster Volunteers, welche wiederum gegründet wurden, um gegen die Home Rule zu kämpfen. Die Ulster Volunteers waren allerdings auch bereit, dem Kampf zu verschieben, der noch vor kurzem unvermeidlich schien.
So zogen tausende junge Iren aus dem Süden und Norden der Insel als Freiwillige in einen Krieg, welcher ihnen in Flandern nur zu oft den Tod brachte. So konnte Redmond der Regierung in London vorschlagen, alle britischen Truppen aus Irland abzuziehen, da seine Freiwilligen und die Ulster Volunteers durchaus in der Lage waren, jede Störungen auf der Insel während der Dauer des Krieges zu unterbinden.

MacNeill
MacNeill, der Generalstabschef der Aufständischen und im Zivilleben Historiker.

Der IRB hatte jedoch andere Ideen. Bei einem Treffen ihres Obersten Rates wurde bereits im August 1914 die natürlich geheime Entscheidung getroffen, es müsse einen irischen Aufstand noch vor dem Ende des britischen Krieges mit Deutschland geben. Bis Ostern 1916 waren die aktiven Mitglieder des IRB vollständig mit den Vorbereitungen für diese Revolution beschäftigt.

Sie hatten alles ihnen zur Verfügung stehende Intellekt, eine ziemlich beträchtliche Menge Geld vor allem von der irischen Amerikaner und ein wenig anderes zusammengebracht.
Sie hatten mit Hilfe der irischen patriotischen Organisationen zu agieren, von denen sie viele unter ihre teilweise Kontrolle brachten. Und wenn der Aufstand ein militärischer Erfolg sein sollte, mussten sie sich entweder Waffen aus den britischen Arsenalen ‚besorgen‘ oder aus dem Ausland – was gleichbedeutend mit Großbritanniens Feind Deutschland war.

Ihre Kalkulation sah wie folgt aus: Abgesehen von den Leuten aus Ulster sowie bestimmten Großgrundbesitzern und Industriellen, wollten die Iren ihre Freiheit von der britischen Vorherrschaft. Allerdings war für viele Menschen – zumindest vorübergehend – die Home Rule akzeptabel, auch wenn dieses aufgeschobene Gesetz Irland weniger Rechte über seine Finanzen und sonstige Angelegenheiten geben würde, als die Dominions schon haben. Darüber hinaus ging es der großen Gemeinschaft der Landwirte, welche in Irland damals noch viel wichtiger waren als selbst heute noch, in Friedenszeiten ziemlich gut.

So konnte sich der IRB zwar auf ein beträchtliches Maß an emotionalen Sympathien verlassen, aber weniger – wenn überhaupt – auf praktische Hilfe durch die Masse des irischen Volkes. Und da die Iren in einem gewissen Maße sehr schnell ihre Meinung ändern können, ist es nicht gesagt, wie sie auf einen Aufstand reagieren würden. Gewiss ist jedoch, dass die römisch-katholische Kirche sich gegen eine solche Aktion stellen würde, und die Pfarrer sind und waren in Irland sehr mächtige Sprecher.

Patrick Pearse
Patrick Pearse, der Befehlshaber der Aufständischen – im Zivilleben Lehrer.

So weit wie rebellierende und kämpfende Männer gewöhnlich gingen, würde jeder Schein einer aufkommenden Niederlage den Aufstand zum Scheitern verurteilen. Redmonds große Anzahl von Freiwilligen war zumeist unbewaffnet oder kämpfte für die Briten in Frankreich. Aber auf einige von denen, welche bewaffnet und ausgebildet waren und sich noch Irland befanden, konnte man zählen.


Der Generalstabschef der Aufständischen war der Historiker Eoin MacNeill und ihr Befehlshaber der Anfang der Dreißiger Jahre stehende Schullehrer Patrick Pearse. Beide Männer waren Mitglieder des IRB, aber wie die Ereignisse während des Osteraufstandes zeigen sollten, waren sie sich in der Strategie und Taktik nicht ganz einig.
Die Freiwilligen für den Osteraufstand waren über ganz Irland verstreut.


t_arrow1 Hier zu Teil II: Sinn Fein – David gegen Goliath


Quellenangaben und Literatur

Illustrierte Geschichte des Ersten Weltkriegs (Christian Zentner)
History of World War I (AJP Taylos, S.L. Mayer)
Der Erste Weltkrieg – Storia illustrata della Prima Guerra Mondiale (Hans Kaiser)


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