Russische Revolver und Pistolen


Russische Nagant-Revolver und automatische Tokarew-Pistolen des Ersten und Zweiten Weltkriegs.
Geschichte, Entwicklung, Spezifikationen, Statistiken und Bilder.

Tokarew  TT-33
Automatische Pistole Modell 1933 (Tokarew TT-33), die sowjetische Standard-Faustfeuerwaffe im 2. Weltkrieg.

Russische Revolver und Pistolen im Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Russische Revolver und Pistolen

Revolver Modell 1895 Nagant

Nagant-Revolver
Nagant-Revolver

Modell 1895 Nagant
Typ: Revolver.

Belgischer Nagant-Revolver

Belgischer Offiziers-Revolver Nagant Modell 1884
Belgischer Offiziers-Revolver Nagant Modell 1884 der luxemburgischen Streitkräfte.

Der Revolver Nagant Modell 1895 war ursprünglich ein belgischer Entwurf, der bereits seit 1878 hergestellt wurde. Die Firma Emile et Louis in Lüttich baute in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts moderne Revolver für zahlreiche Armeen Europas.
Das Doppelbewegungs-Abzugssystem des Nagant-Revolvers beruhte auf der Erfindung des Schweizers Schmidt und wurde bei den meisten Revolvern dieser Zeit verwendet. Der Nagant-Revolver hatte einen starren Rahmen mit Einzelladung nach Abkippen der Ladeklappe hinter der Trommel und dem Auswurf der leeren Patronenhülsen durch eine unter dem Lauf in einem drehbaren Bügel befestigte Stange.

 

Dabei unterschieden sich die Modelle 1883, 1884, 1887 und 1893 nur geringfügig. Die Armeen Belgiens und Holland erhielten sie im Kaliber 9,4 mm, die Streitkräfte Luxemburgs, Schwedens und Norwegen im Kaliber 7,5 mm.

Seitdem wurde der Grundentwurf in Belgien, Argentinien, Brasilien, Dänemark, Norwegen, Portugal, Rumänien und Serbien verwendet, wobei die Waffen in Belgien in verschiedenen Kalibern gebaut waren. In Schweden wurden bis 1905 von der staatlichen Waffenfabrik in Husqvarna 14.000 Nagant m/87 unter Lizenz gebaut. Außerdem wurden Kopien des belgischen Nagant-Revolvers auch in Spanien hergestellt.

Russischer Nagant-Revolver

Nagant Modell 1895 01
Russischer Nagant Modell 1895 Revolver.

Bis 1913 wurde der Nagant-Revolver von der belgischen Firma et Leon Nagant in Lüttich an die russische Armee geliefert. Der Bau des Nagant-Revolvers in Russland begann bereits 1901 in der staatlichen Rüstungsfabrik Tule, welcher Anfangs unter Lizenz erfolgte. Die dortige Herstellung stellte dann jedoch die gesamte, andere Produktion in den Schatten, sodass der Nagant-Revolver heute als russische Waffe angesehen wird.

Die erste russische Produktion des Nagant-Revolver erfolgte um die Jahrhundertwende im Arsenal von Tula und wurde bis 1940 fortgesetzt. Diese Version war der Nagant Modell 1895, bei dem der ursprüngliche Entwurf des Revolvers zur Verbesserung der Gesamtleistung überarbeitet worden war.

Es war in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnlicher Revolver, nicht zuletzt wegen der einzigartigen 7,62mm Munition in einer Messing-Patronenhülse mit einem vollständig versenkten Geschoss. Die Trommel wurde beim Schuss an den hinteren Laufteil gedrückt. Der Gedanke dabei war, die Kartusche effizienter zu machen, indem der Verlust von Treibgasen durch den kleinen Spalt zwischen Zylinder und dem Lauf reduziert wird.
Diese Eigenschaft war jedoch von zweifelhaftem Wert, da es die Geschossgeschwindigkeit um nur etwa 15 Meter pro Sekunde erhöhte, dafür aber eine spezielle Kartusche erforderlich war. Die Russen hielten jedoch viel davon und so wurde diese Eigenschaft bis zur Einstellung der Produktion beibehalten.

Aus irgendeinem Grund beschloss die Russische Armee des Zaren, die Unterschiede zwischen den Rängen zu betonen, indem sie an Soldaten ‚Single-Action‘-Revolver (Einfachbewewgung) ausgab, während Offiziere ‚Double-Action‘-Versionen (Doppelbewegung) erhielten.
Es gab auch einen deutlichen, sichtbaren Unterschied zwischen der Ausführung der beiden Modelle. Bei den ‚Single-Action‘-Revolver wurde das Metall oft blank belassen, während die Version für Offiziere beschichtet oder mit blauer Farbe überzogen war.


Beide Versionen waren jedoch extrem robuste und zuverlässige Waffen, denn sie mussten unter den Bedingungen, unter denen die russische Armee normalerweise kämpfte, funktionieren. Der Rahmen war stabil und der Zylinder war fixiert, das Nachladen erfolgte durch eine verschließbare Öffnung auf der rechten Seite. Ein Gestänge wurde verwendet, um verbrauchten Kartuschen auszuwerfen.

Die Revolver des Nagant Modells 1895 wurden im Laufe der Jahre zu Hunderttausenden produziert und der Typ wurde während der 1. Weltkrieg und 2. Weltkrieg verwendet. Alleine in den Jahren von 1914 bis 1917 wurden in der Fabrik von Tule insgesamt 163.000 Stück des Revolvers an die russischen Streitkräfte ausgeliefert. Der gleiche Nagant-Revolver wurde während des Ersten Weltkriegs auch von der Serbischen Armee verwendet.
Noch heute kann man die Waffe in abgelegenen Gegenden der Welt antreffen und es gibt immer noch einige Hersteller, welche Munition für sie anbieten.

Sowjetischer Nagant-Revolver

Sowjetischer Revolver Modell 1895 Nagant mit Schalldämpfer
Sowjetischer Revolver Modell 1895 Nagant mit Schalldämpfer für die Geheimpolizei oder Agenten.

Nach dem Ende des russischen Bürgerkriegs wurde der Bau des ‚Sowjetischen Revolver Modell 1895‘ in der Waffenfabrik von Tula auch für die Rote Armee fortgesetzt. Die entsprechenden Modelle erkennt man an einem eingravierten Roten Stern.
Dieses Modell unterschied sich praktisch nicht vom ursprünglichen Typ – bis auf den Umstand, dass nur noch das Doppelbewegungs-Abzugssystem verwendet wurde.

Jedoch war der Nachteil dieser Waffe das langwierige Laden und das Herausziehen der leeren Patronenhülsen, was im Zweiten Weltkrieg ein Anachronismus war. Allerdings konnte die Waffe leicht zerlegt werden.
Die Waffe wurde vor allem von Offizieren und Unteroffizieren, aber auch Spezialisten wie Melder, Telefonkabelleger und Maschinengewehr-Schützen getragen.

Das sowjetische Modell wurde in Tula seit Mitte der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts in etwa der gleichen Stückzahl wie die automatische Tokarew-Pistole hergestellt. Erst ab 1942 wurde der Revolver zunehmend durch Maschinenpistolen ersetzt und seine Herstellung fiel stark ab. Trotzdem soll seine Produktion erst weit nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig eingestellt worden sein.

Etwa eine halbe Million wurden für die Rote Armee gebaut. Dazu gab es noch eine kleinere Serie von Ausführungen für die Polizei und Sicherheitsdienste.


Pistole Tokarew TT-33

Rote Armee in der Offensive 1943-1945
Ein sowjetischer Offizier führt 1944 mit einer Tokarew TT-33 eine Infanterie-Abteilung zum Sturmangriff an.

Pistole Modell 1933
Typ: Automatische Pistole.

Die erste automatische Tokarew-Pistole, welche in größerem Umfang für den Truppengebrauch übernommen wurde, war die TT-30. Jedoch wurden nicht allzu viele davon gebaut, bevor 1933 ein überarbeiteter Entwurf als Tokarew TT-33 eingeführt wurde.


Diese Pistole wurde anschließend die Standardpistole der Roten Armee und sollte den seit vielen Jahren bewährten Nagant-Revolver ersetzen. Dies geschah jedoch erst weit nach 1945, da sich der Revolver als zuverlässig und robust unter all den harten Einsatzbedingungen an den vielen Fronten des Zweiten Weltkrieges erwies.

Die TT-33 war im Grunde genommen eine sowjetische Version der amerikanischen Colt-Browning-Pistolen und verwendete zum Betrieb das Schwinggelenksystem des Colt M1911.
Allerdings bauten die immer praktisch denkenden sowjetischen Techniker einige geringfügige Änderungen ein, welche den Mechanismus leichter zu bauen und auch leichter unter Einsatzbedingungen pflegen ließen. Bei der Herstellung wurde außerdem auf die Verarbeitung der empfindlichen Magazin-Zuführlippen im Rahmen der Pistole viel Wert gelegt, welche normalerweise Teil des Magazins sind. Dadurch ist das Magazin ein einfacher Kasten und das Problem von Fehlfunktionen bei einem versehentlichen Herunterfallen oder anderen groben Behandlungen durch Verformung der Zuführlippen tritt nicht auf.

Die einzigen anderen, wesentlichen Änderungen sind das Fehlen einer Griffsicherheit und die Herstellung von Schlagbolzen, Hammer und Verriegelungsmechanismus in einer abnehmbaren Untereinheit. Dazu fehlt jegliche Form einer Sicherung mit Ausnahme einer Halbschwanz-Kerbe am Schlagbolzen.

Dies alles ergab eine zuverlässige, praxisnahe und robuste Waffe, welche sich im Einsatz als besser erwies, als die meisten ihrer Zeitgenossen.

Tatsächlich gibt es sogar zwei Versionen dieser Pistole, die TT-33 und die TT-34. Äußerlich ist kein Unterschied festzustellen. Bei der TT-33 sind wie beim Colt-Browning zwei Lamellen auf der Oberseite des Laufs vorhanden, welche in zwei Nuten auf der Unterseite der Gleitfläche einrasten.
Bei der TT-34 dagegen verlaufen die zwei Lamellen vollständig um den Lauf herum, was ihre Herstellung vereinfachte und beschleunigte. Die Lamellen konnten nun mit einer Drehmaschine hergestellt werden, während der Rest des Laufs in den richtigen Maßen fertiggestellt wurde, anstatt in einem separaten Arbeitsgang ausgefräst werden zu müssen.

Geringe Mengen der Tokarew-Pistolen tauchten erstmals während des Finnisch-Sowjetischen Winterkriegs 1939/40 auf, aber nach Beginn von Unternehmen Barbarossa ließ die Bedeutung der Pistolen und Revolver in der Roten Armee immer mehr nach und diese wurden zunehmend durch Maschinenpistolen, wie die PPSh und PPS, verdrängt.

Nach dem deutschen Angriff wurde die Produktion von Tula nach Ishewsk verlegt und später wieder zurück. Alleine in den Jahren von 1933 bis 1945 wurden fast zwei Millionen Stück der Tokarew-Pistole gebaut.

Bis 1945 hatte die Tokarew-Pistole den Nagant-Revolver praktisch abgelöst und die sowjetische Expansion in Osteuropa führte auch zu einer Ausweitung ihrer Produktionszentren. So erschien die TT-33 in einer Reihe von grundsätzlich ähnlichen Formen, darunter auch der chinesische Typ 51.
In Polen wurde die TT-33 für die eigenen Streitkräfte und Sicherheitsdienste und auch zum Export in die DDR und Tschechoslowakei gebaut. In Jugoslawien wurde die TT-33 noch jahrzehntelang weitergebaut und nach Nordkorea als M65 exportiert. Nordkorea baute auch seine eigene Variante, die M68.

Ein weiterer, bedeutender Hersteller war Ungarn, wo der Entwurf in verschiedenen Bereichen überarbeitet wurde und auf das 9-mm-Parabellum-Kaliber umgestellt wurde. Dies war die Tikagypt-Pistole, welche nach Ägypten exportiert wurde und immer noch von der dortigen Polizei verwendet wird.

Tokarew TT-33
Tokarew TT-33 mit einer Patrone.

Die TT-33 wurde am Ende der sowjetischen Ära nicht mehr von der Roten Armee verwendet, welche die Markarow-Pistole übernahm. Trotzdem ist die Tokarew-Pistole überall auf der Welt noch anzutreffen, denn sie ist trotz ihres kleinen Kalibers eine wirksame Faustfeuerwaffe.
Die Patrone wurde aus der 7,63-mm-Mauser entwickelt und hat eine 5,5-Gramm-Kugel mit einer Geschossgeschwindigkeit von rund 420 Metern in der Sekunde, was eine Wirkung von fast 500 Nm ergibt und beträchtlichen Schaden verursachen kann. Als Konsequenz aus dieser Feuerkraft und der eher leichtgewichtigen Waffe, schlägt sie beim Schießen eher heftig aus.


Spezifikationen der russischen Revolver und Pistolen

Spezifikationen:

SpezifikationBelgischer Nagant-RevolverRevolver Modell 1895 Nagant (russisch)Revolver Modell 1895 Nagant (sowjetisch)Pistole Tokarew Modell 1933 (TT-33)
TypRevolver RevolverRevolverautomatische Pistole
Kaliber7,5 mm7,62 mm7,62 mm7,62 mm
Länge 23,0 cm 23,2 cm 23,5 cm (mit Schalldämpfer 38,9 cm) 19,5 cm
Gewicht0,77 kg 0,79 kg 0,795 kg (mit Schalldämpfer 1,12 kg)0,85 kg
Lauf? 11,0 cm?11,6 cm
Magazin 6-Schuss-Zylinder7-Schuss-Zylinder7-Schuss-Zylinder8-Patronen-Kastenmagazin
FunktionDouble Action Single- oder Double Action (stabiler Rahmen, Gasdichtung mit ausschwenkbarem Zylinder und Handauswerfer)Double Action (stabiler Rahmen, Gasdichtung mit ausschwenkbarem Zylinder und Handauswerfer)Automatisch (Rüchstoss mit Browning-Verbindung)
Geschoßgeschwindigkeitca. 272 m/sek328 m/sek=420 m/sek

Einsatzstatistik:

AngabenBelgischer Nagant-RevolverRevolver Modell 1895 Nagant (russisch)Revolver Modell 1895 Nagant (sowjetisch)Pistole Tokarew Modell 1933 (TT-33)
HerstellerEmile et Louis (Lüttich)Staatliche Waffenfabrik TulaStaatliche Waffenfabrik Tula Waffenarsenal Tula und zweitweise Ishewsk
Produktionsbeginn 18781901Mitte der 1930er1933
Truppeneinführungdanachdanachdanachvor 1939
Endlieferung? (in Schweden bis 1905)1940nach 19451954 (in Sowjetunion)
Produktionszahl? (14.000 in Schweden)? (Masse mit 163.000 von 1914-17)ca. 500.000ca. 2.000.000 (1933-45)
Stückpreis????


Quellenangaben und Literatur

The Encyclopedia of Weapons of World War II (Chris Bishop)
The Encyclopedia of Infantry Weapons of World War II (Ian V.Hogg)
Infanterie im 2. Weltkrieg (J.B.King, John Batchelor)
Illustriertes Lexikon der Waffen im 1. und 2. Weltkrieg (V. Dolinek, V. Francev, J. Sach)


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