Fall Weiss – erster erfolgreicher Blitzkrieg


Fall Weiss, der erste erfolgreiche Blitzkrieg. Der Polenfeldzug von der Schlacht an der Bzura, dem Einmarsch der Roten Armee bis zur Kapitulation Warschaus und der letzten polnischen Truppen am 6. Oktober 1939 (Teil II).

Polnische Kriegsgefangene 1939
Vier polnische Soldaten und eine Krankenschwester, die gefangen genommen wurden.

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Schlacht an der Bzura


Polnische 40-mm-Flak an der Bzura
Eine leichte 40-mm-Flak einer polnischen Kavallerie-Brigade inmitten der zerschlagenen Stellung an der Bzura.
Die stärkste polnische Armee war zu diesem Zeitpunkt die Armee Pommerellen, die ihren Rückzug aus dem Korridor zwischenzeitlich verkraftet hatte. Völlig intakt war dagegen die im Westen abgeschnittene Armee Poznan unter Generalmajor Kutrzeba. Beide Armeen vereinigten sich an der unter Bzura und planten, die Deutschen auf ihrem Vormarsch auf Warschau in die Flanke anzugreifen.

Während am 9. September das XIX. Panzerkorps unter Guderian mit vier schnellen Division als erster unabhängiger Panzerverband mit dem Ziel der Festung Brest-Litowsk zum Angriff antrat und dort am 17. September als geschlossene Einheit ohne Rücksicht auf die Flanken und rückwärtigen Verbindungen eintraf, griffen die polnischen Armeen an der Bzura am Abend die offene Flanke der deutschen 8. Armee bei ihrem Marsch auf Lodz an. Die deutsche Armee sah sich gezwungen, ihren Vorstoß auf Warschau abzubrechen, um die polnischen Angriffe abzuwehren.

Dadurch entstand die größte Schlacht des Polenfeldzuges und selbst die schon eroberte Stadt Lodz musste von den deutschen Truppen vorübergehend geräumt werden. In der Kampinoser Heide erwehrten sich die Polen den deutschen Angriffen und mussten Schritt für Schritt zurückgeworfen werden.

Erst am 18. September ließ der polnische Widerstand nach und die eingeschlossen polnischen Truppen unternahmen noch bis zum 23. September Durchbruchsversuche nach Warschau. Schließlich wurden in der Schlacht an der Bzura 12 polnische Divisionen vernichtet (170.000 Kriegsgefangene) und damit gab es westlich von Warschau, mit Ausnahme von isolierten Festungen, keine wesentlichen polnischen Truppenverbände mehr.

der Polenfeldzug vom 8. bis 15. September 1939.
der Polenfeldzug vom 8. bis 15. September 1939.

Die Rote Armee kommt

Am 11. September brach der Widerstand der eingeschlossenen Armee Prusy bei Random zusammen und 60.000 Mann marschierten auch dort in die Kriegsgefangenschaft. Auch Warschau wird nun von Osten abgeriegelt.

Am selben Tag gab die Heeresgruppe Süd ihrer 10. Armee den Auftrag, tief nach Ostpolen hinein bis nach Lublin einzumarschieren, während die weiter südlich stehende 14. Armee mit zugeführten, starken Panzerverbänden, Lemberg erreichen sollte, um einen polnischen Rückzug nach Rumänien zu vereiteln.
Jedoch konnte dieses Unternehmen nicht abgeschlossen werden, da am 17. September – sowohl für die Polen als auch die Deutschen überraschend – die Rote Armee mit der Weißrussischen Front (Kowalew) und der Ukrainischen Front (Timoschenko) in Ostpolen einmarschiert.
Stalin sah sich nun gezwungen, noch eiligst das ihm im deutsch-sowjetischen Vertrag vom 23. August 1939 zugestandene Territorium zu sichern.
Noch am selben Abend verließen die polnische Regierung und die Armeeführung ihr Land und wurden in Rumänien interniert.

deutsche Soldaten besichtigen russische Panzerwagen 1939
Am 19. September besichtigen deutsche Soldaten schwere Panzerwagen BA-10 der russischen Verbündeten bei Brest-Litowsk.

Der Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen zwang die Wehrmacht die Schlachten von Lemberg und Tomaszow am 20. September abzubrechen und sich hinter die mit den Sowjets vereinbarte Demarkationslinie zurückzuziehen. Der polnische General Langner in Lemberg kapitulierte dann bereits am 22. September vor den Russen.
Ebenfalls am 20. September Tag wurde die polnische Armee Lublin eingeschlossen, die sich sofort mit 60.000 Mann übergab.

Karte Polenfeldzuges vom 16. bis 20. September 1939
Karte: die letzte Phase des Polenfeldzuges vom 16. bis 20. September 1939.

Kapitulationen

Polnische Verteidiger Warschaus marschieren in Kriegsgefangenschaft
120.000 polnische Verteidiger Warschaus marschieren in Kriegsgefangenschaft.

Die zur Festung erklärte Hauptstadt Warschau mit 180.000 Verteidigern war seit dem 22. September vollständig eingeschlossen und wurde belagert. Die Stadt wurde ab dem 24. September ununterbrochen von der deutschen Luftwaffe bombardiert und von der Artillerie beschossen.
Am Donnerstag dem 28. September 1939 kapitulierte dann die polnische Garnison von Warschau und General Rómmel mit 120.000 Verteidigern marschierte in die Gefangenschaft.
Am 28. September 1939 einigten sich Deutsche und Sowjets jedoch auf eine neue Demarkationslinie und verzichteten auf die Beibehaltung eines polnischen ‚Reststaat‘. Deshalb mussten deutsche Truppen in Teile des soeben geräumten Gebietes wieder einmarschieren und gegen die dort noch befindlichen polnischen Truppen kämpfen.


die Aufteilung Polens 1939
Karte: die Aufteilung Polens 1939.

Am nächsten Tag kapitulierte die Festung Modlin, am 1. Oktober die 4.000 polnischen Verteidiger der Halbinsel Hela und am 6. Oktober 1939 die letzten 16.800 Mann unter Generalmajor Kleeberg bei Kock.
Am 3. Oktober nahm Hitler die Siegesparade in Warschau ab.

Hitler Siegesparade Warschau
Hitler nimmt die Siegesparade in Warschau ab.

Etwa 120.000 polnische Soldaten konnten über die ungarische oder rumänische Grenze entkommen und kämpften bald auf Alliierter Seite als Polnische Exilstreitkräfte weiter.
Über 700.000 polnische Soldaten gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft und die Rote Armee gab an, 217.000 Kriegsgefangene genommen zu haben.
Die polnischen Verluste ließen sich nicht genau feststellen und wurden auf etwa 200.000 Mann, darunter 66.000 Gefallene, geschätzt.

Die vorsätzlichen Reiterattacken polnischer Ulanen auf deutsche Panzer gab es wohl nur in der NS-Propaganda. Zumindest kann kein einziger derartiger Fall bezeugt werden, obwohl es natürlich vorgekommen sein kann, dass ein Lanzenangriff auf Infanterie zum unbeabsichtigten Zusammenstoß mit Panzerfahrzeugen führte.

Die deutschen Verluste im Polenfeldzug beliefen sich auf 10.572 Gefallene, 3.404 Vermisste und 30.322 Verwundete. Dazu gingen 217 Panzer und 283 Flugzeuge verloren.
Die Rote Armee büßte 737 Gefallene und 1.859 Verwundete ein.

Sicher ist jedoch, dass im Vergleich zu den Grabenkriegen des Ersten Weltkrieges durch den modernen Bewegungskrieg die Verluste auf beiden Seiten deutlich geringer waren und die Dauer der Kämpfe erheblich verkürzt wurde.


Gräueltaten in Polen

In Polen selbst kam es am 3. September 1939 zum Höhepunkt der Ausschreitungen gegen die deutsche Minderheit. Jeder dritte Einwohner Polens gehörte einer Minderheit an, was ein enormes Risiko für die Polen in einem Konflikt darstellte. Nicht nur, dass die Polen in ihrem Angriff auf das bolschewistische Russland Lenins nach dem Ersten Weltkrieg große Gebiete mit Weißrussen und Ukrainer eroberten, sie annektierten auch 1920 die alte litauische Hauptstadt Wilna und erhielten im Vertrag von Versailles die alten preußischen Provinzen Westpreußen und Posen und große Teile Galiziens zugesprochen.

Bromberger Blutsonntag
Deutsche Soldaten finden Opfer des ‚Bromberger Blutsonntag‘.

Bereits seit sich die deutsch-polnischen Beziehungen wegen Danzig und der Frage des Korridors zwischen Pommern und Ostpreußen im März 1939 verschlechtert hatten, begann der Druck auf die deutsche Minderheit zuzunehmen. So musste der deutsche Botschafter aus Warschau melden, dass die polnische Regierung es dank der englischen Blanko-Vollmacht offensichtlich nicht mehr für notwendig hielt, auf die deutsche Minderheit Rücksicht zu nehmen. So spricht auch der polnische Woiwoden von Schlesien ganz offen davon, dass die Polen den Deutschen die Augen ausbrennen und Zungen herausreißen werden, bevor sie über die Grenze gejagt werden.

Etwa 3.500 deutsche Volksangehörige wurden ermordet. Die meisten Opfer – Männer, Frauen und Kinder – fallen Erschießungen am 3. September 1939 bei Bromberg zum Opfer. Grund dafür war, dass deutsche Zivilisten auf polnische Truppen geschossen haben sollen. Allerdings hatte die in Bromberg erscheinende ‚Deutsche Rundschau in Polen‘ bereits am Vortag darauf hingewiesen, dass die deutsche Minderheit unter polnischem Gesetz steht und dazu aufgerufen, keine Handlungen zu begehen, die der Volksgruppe zum Verderben wird.


Polnische Opfer einer Geiselerschießung
Polnische Opfer einer Geiselerschießung.

Als Vergeltung kommt es neben vereinzelte Übergriffen durch deutsche Soldaten auch zu angeordneten Erschießungen durch SS- oder Polizei-Einheiten.

Ein geplanter oder befohlener Völkermord stand aber zu diesem Zeitpunkt nicht im Raum. Jedoch dienten die von der NS-Propaganda überbewerteten polnischen Übergriffe anschließend als Vorwand dafür, eine ausgesprochen harte Besatzungspolitik in Polen durchzuführen, die in keinem Verhältnis mehr zu dem Ausmaß zu den Verbrechen an Volksdeutschen stand.

Zum Zeitpunkt des Polenfeldzuges gab es jedoch noch keine Anweisungen für ein besonders hartes Vorgehen, da selbst Hitler noch gar keine Vorstellung davon hatte, was er mit Polen anfangen wollte. Ursprünglich war sein Handeln auf die Rückgewinnung der im Versailler Vertrag verlorenen deutschen Gebiete ausgerichtet. Auch die angebliche, langfristige ‚Planung eines Angriffskrieges‘ auf Polen, wie sie im Nürnberger Prozess vorgeworfen wurde, ist weitgehend aus der Luft geholt.
Denn der Politiker und Führer Hitler war ein Pragmatist mit dem Naturell eines Spielers, der versuchte, dass bestmögliche aus einer vorgefundenen Situation oder sich ergebenden Möglichkeit herauszuholen. Bekanntlich macht ‚Gelegenheit ja Diebe‘ und extreme Rassisten unter dem Damoklesschwert einer möglichen Niederlage seit Herbst 1941 und mithilfe des Deckmantels des Krieges schrecken dann auch nicht mehr vor dem Völkermord zurück.

Die ursprünglich angedachte Idee, wie mit Polen nach der Annexion der deutschen Ostgebiete zu verfahren sei, war es einen unter Kontrolle befindlichen polnischen Reststaat bestehen zu lassen, ähnlich dem Satelliten-Staat Slowakei. Dies sollte es auch ermöglichen, den Kriegszustand zum Westen zu beenden. Die Sowjets wollten jedoch auf gar keinen Fall einen polnischen Reststaat bestehen lassen, sodass das ‚Generalgouvernement‘ entstand.

Zwangsrabeiter aus Krakau
Im Mai 1940 werden arbeitsfähige polnische Männer zur Zwangsarbeit aus Krakau deportiert.

Erst am 17. Oktober 1939 legten Hitler und Keitel in einer Besprechung fest, dass Polen zu keinem ‚Musterland‘ werden sollte. Es sollte verhindert werden, dass eine polnische Intelligenz zum Widerstand aufruft. Stattdessen sollte das polnische Arbeitspotential auf niedrigem Niveau für den deutschen Bedarf genutzt werden können.
Auch sollte das Gebiet für die Zukunft als Aufmarschgebiet – wobei hier nur die Sowjetunion infrage kommen konnte – nutzbar sein und daher Straßen, Bahnen und Nachrichtenverbindungen in Ordnung gehalten werden. Schließlich sollte Rest-Polen als ‚Auffangbecken‘ für Juden und Polen aus dem Reichsgebiet und den wieder angeschlossenen Provinzen dienen.

Am 23. November 1939 beschwerte sich die Wehrmacht (General der Artillerie Petzel, Wehrkreiskommando XXI in Posen, Ic86/39) schriftlich über das Treiben von SS-Formationen in den annektierten Provinzen Posens, wo es in fast allen größeren Orten zu Erschießungen gekommen war. Auch wurden Polen verhaftet und interniert und es kam oft zu Plünderungen ihres Besitzes. Dazu kamen zahlreiche Übergriffen gegen polnische Juden, wobei selbst auch deutsche Volksangehörige unter den Opfern waren.

totenkopf polen ermordete
Opfer der Totenkopf-Standarte Brandenburg in Polen 1939.

Am 21. November 1939 schrieb ein deutscher Offizier in einem Brief aus Ostpolen, dass ein ‚organisierte Minderheit‘ unter ‚höchster Duldung‘ dort die schlimmsten Verbrechen begeht, gegen welche die Truppe nicht einschreiten darf. Diese Handlungen können nicht mehr mit den an den Volksdeutschen begangenen Verbrechen entschuldigt werden und wenn diesen Leuten nicht das Handwerk gelegt wird, so wird auch das eigene Volk von solchen Taten betroffen werden und diese auf es selbst zurückfallen.


Quellenangaben und Literatur

Illustrierte Geschichte des Dritte Reiches (Kurt Zentner)
Unser Jahrhundert im Bild (Bertelsmann Lesering)
Der Grosse Atlas zum II. Weltkrieg (Peter Young)
Historical Atlas of World War Two – The Geography of Conflict (Ronald Story)
A World at Arms – A Global History of World War II (Gerhard L. Weinberg)
Krieg der Panzer (Piekalkiewicz)
Luftkrieg (Piekalkiewicz)
1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte (Gerd Schultze-Rhonhof)
Der 2. Weltkrieg (C. Bertelsmann Verlag)
Zweiter Weltkrieg in Bildern (Mathias Färber)


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